Wie jedes Jahr hatten wir mit unseren Freunden vom SV Motor Zeitz gemeinsam eine Spielgemeinschaft gegründet, damit wir die LJMM u20 bestreiten konnten. Unser Team bestand aus drei Zeitzern (John Arlet, Max Jahr und Georgiy Andreyev (Goscha)), drei Merseburgern (Johannes Thum, Oleksandr Melnychenko (Sascha) und mir) sowie Schachfreund Thomas Richter, ebenfalls aus Zeitz, als Betreuer.
Zu siebt im Mannschaftsbus von Zeitz machten wir uns am Freitag, dem 14.06. auf nach Wernigerode im Harz, um dort um den Landesmeistertitel zu kämpfen.
Dort kamen wir als erste Mannschaft an und erfuhren, dass doch nur 5 Mannschaften teilnähmen, weshalb es nun einmal spielfrei gab. Also nutzten wir unser Privileg als Ersterschienene und legten die Freirunde ans Ende, damit wir früher die Heimreise antreten können würden.
In der ersten Runde traf unsere Spielgemeinschaft noch am Abend der Anfahrt auf die SF Hettstedt. Diese waren zwar nominell schwächer besetzt, jedoch nicht zu unterschätzen, weshalb es lang nicht klar war, wie der Mannschaftskampf ausgehen würde. Allerdings zeichnete sich im Verlaufe der Partien ein Gewinn für uns ab. Besonders unser 5. Brett, der aus Amsterdam eingeflogene John, entzückte mit einer Kombination, die man nur als Kunstschach bezeichnen kann, auch wenn sie in einer ohnehin schon überlegenen Stellung auf das Brett gezaubert wurde. Der gespielte Zug ist laut der Engine nicht einmal der beste, aber wohl der schönste am Brett.
Stellung nach 12… Sg8 – Weiß am Zug (Lösung unten)
Runde 2 gegen Rochade Magdeburg am Folgetag sollte deutlich knapper ausfallen. Nachdem unsere Gegner, welche am ersten Tag spielfrei waren, fast die Karenzzeit überschritten hatten, gerieten wir dennoch in Schwierigkeiten. Ich ließ mich relativ schnell am Königsflügel zusammenschieben und gab somit einen wertvollen Punkt ab. An Brett 2 musste Goscha ebenfalls um den halben Punkt kämpfen. Auch Max, der eigentlich in der Eröffnung die Überhand gewann, verlor durch einen Fingerfehler die Qualität in eigentlich dominanter Stellung. Glücklicherweise konnte er im Gegensatz zu mir aber noch durch eine schöne Taktik gewinnen, welche man von dem sonstigen Taktikmuffel nicht erwartet hätte.
Stellung nach 16… Dc8 – Weiß am Zug (Lösung unten)
So schleppten wir uns doch noch mit einem 3,5 zu 2,5 über die Ziellinie.
In der dritten Runde wartete der 1. SC Anhalt auf uns, welcher wider Erwarten ohne Niclas Rohde und Luke Fathke antrat, weswegen sie auch am schwächsten besetzt waren. Allerdings remisierten sie in Runde 1 gegen den Favoriten AEM, was zeigte, dass man auch gegen sie aufpassen muss. Jedoch konnte das Potenzial vom Vortag zum Glück nicht reaktiviert werden und wir konnten ein sicheres 5 zu 1 nach Hause fahren.
In der Tabelle waren wir also im Moment ganz oben, hatten aber auch ein Spiel mehr bestritten als unsere Konkurrenten aus der Landeshauptstadt. AEM gewann in Runde 3 dazu mit 6 zu 0 gegen Rochade Magdeburg, weshalb nun klar war, dass wir gegen sie am letzten Tag mindestens ein Unentschieden holen müssten, um den Turniersieg sicher zu haben, ein regelrechter Showdown. Weil es die beste Chance zum Titelgewinn seit Jahren war, wurde sich dementsprechend auch am Vorabend in freudiger Runde vorbereitet, was zumindest einen psychologischen Schub brachte.
Mit durchschnittlich fast 250 DWZ-Punkten Übergewicht war AEM in der 4. Runde natürlich der Favorit. Wir schlugen uns trotzdem lange nicht schlecht. Nach einer Niederlage und einem Sieg für uns stand es eine Weile lang 1 zu 1 mit guten Chancen an Brett 2, 3 und 6. Selbst für unser viertes Brett gab es trotz selbstverschuldeter schlechter Königsstellung, oft die Möglichkeit zum Ausgleich und für einen Zug sogar zum Sieg. Max mischte allerdings dann doch kurzzügig ein. Kurze Zeit später patzte auch Sascha, welcher zuvor 100 Prozent geholt hatte, an Brett 6 in horrender Zeitnot und verlor. Dem drohenden Blättchenfall fiel danach auch noch Goscha zum Opfer, der in einem komplizierten Mittelspiel bzw. Endspiel mehrere Fehlentscheidungen traf und somit eine Leichtfigur verlor. Folglich war der Mannschaftskampf schon entschieden, weshalb Johannes in ein Remis einwilligte, was schlussendlich eine 1,5 zu 4,5 Niederlage bedeutete.
Etwas geknickt fuhren wir also wieder zurück in die Heimat zu den Leuten, die uns aus der Ferne angefeuert hatten. Der erhoffte Sieg durch Hettstedt gegen AEM in Runde 5, welcher uns doch noch den Titel beschert hätte, blieb ebenfalls aus, womit wir insgesamt auf dem zweiten Platz landeten. Manche in den Niederlanden lebende Menschen würden mir widersprechen, aber ich halte dieses Ergebnis für passabel und denke, dass wir uns gut verkauft haben.
Die Einzelergebnisse sowie die genauen Resultate der einzelnen Runden können für eine gewisse Zeit unter folgendem Link auf der Landesschachseite im Ergebnisdienst nachvollzogen werden:
An dieser Stelle möchte ich mich, auch im Namen meiner Mannschaftskameraden, für die Betreuung und den Fahrdienst durch Thomas Richter bedanken, welcher unter anderem eine Schlüsselverwechslung ertragen musste. Ebenfalls hervorzuheben sind die Organisatoren der LJMM, die auch dieses Jahr wieder einen sehr guten Job gemacht haben. Vielen Dank!
Zuletzt möchte ich die oben gestellten „Taktikaufgaben“ auflösen (in den gezeigten Stellungen gibt es auch andere Gewinnzüge, die gespielten fand ich aber erwähnenswert) :
Stellung 1:
- Lg6! (mit der Idee 13… fxg6 14. Dxg6 Ke7 15. Df7#) gewinnt Material, da der Einschlag auf f7 nicht gut verhindert werden kann.
Stellung 2:
- Le7+! forciert 17… Kxe7, worauf 18. Dxg7+ folgt. Nun verliert Schwarz bei Betreten der Grundreihe den Turm auf h8 und nach 18… Kd6 19. Df6+ Kd7 20. Le6 die Dame und somit die Partie.
In den Niederlanden lebende Menschen würden hier nicht widersprechen, im Endeffekt war der zweite Platz doch akzeptabel und wir hatten Spaß