Der SV Merseburg trat am vergangenen Samstag auswärts gegen die TSG Calbe im Viertelfinale des Landesmannschaftspokals (LMP) Sachsen-Anhalt an. Eigentlich waren wir mit unserem dritten Platz bereits ausgeschieden, jedoch musste der SV Sangerhausen als ursprünglicher Zweiter des Schachbezirks Halle aus personellen Gründen absagen. Wir nahmen also ihren Platz ein und wollten unsere zweite Chance natürlich nutzen! Die TSG Calbe belegte beim Magdeburger Bezirksmannschaftspokal (BMP) den zweiten Platz hinter dem Stendaler SK. Nominell gesehen hatten beide Mannschaften also Losglück, da die anderen Teams nominell gesehen weitaus stärkere Mannschaften aufstellen konnten.
Die Personaldecke war auch diesmal wieder etwas dünn gestrickt, zumal am morgigen Sonntag direkt Ligaspiele anstanden & nicht jeder Schachfreund ein ganzes Wochenende für den Sport opfern kann (bzw. darf). So kam es, dass wir unsere Kontrahenten mit einer heterogenen Mischung überraschen konnten: Präsident Tom, Neuzugang Max, Jugendspieler Simon & das neueste Mitglied im SV: Valeriia.
Wir wussten um die nominelle Überlegenheit der Schachfreunde aus Calbe, die mit 4 Stammspielern aus ihrer Landesligamannschaft antraten, inklusive den Brettern 1 bis 3. Ich persönlich sah die Heimmannschaft alles in allem etwas im Vorteil, bei KO-Runden gelten aber bekanntlich andere Gesetze…
Mannschaftsleiter der Pokalmannschaft Sylvio übertrug mir die Ehre & Organisation. Aus logistischen Gründen verlegten wir den Start auf 10 Uhr und kamen dank flüssigem Verkehr überpünktlich an. Im LMP stehen klassische Bedenkzeiten im Fischer-Modus an. Gespielt wurde im Sportlerheim Heger, welches ab ~13 Uhr auch heimischen Fußballern Raum für Speis & Trank im Schatten bieten sollte. Leider nahmen die werten Fußballer samt Anhang im Nebenraum Platz, was die Konzentration zu fortgeschrittener Spielzeit zunehmend erschwerte.
Valeriia konnte bei ihrem ersten Spiel für den SV bereits aus der Eröffnung heraus positionelle Schwächen im Lager der schwarzen Steine schaffen. Der Schachfreund konnte sich dieser jedoch teilweise entledigen, sodass die dargestellte Stellung entstand. Die Engine empfiehlt hier den Tausch Läufer gegen Springer (grün), um anschließend den weißen Springer auf das schwache Feld d5 zu stellen. Sie entschied sich zu d4, um mehr Kontrolle über das Zentrum zu erhalten (blau). Schwarz fand jedoch den besten Zug Sb4!, griff den Läufer an, verhinderte einen Abtausch und vereinfachte in der Folge in ein Turmendspiel. In diesem stand Schwarz zwar aktiver, fand jedoch keinen Gewinnweg, sodass man sich auf ein Unentschieden einigte (0,5:0,5).
Nachwuchstalent Simon überließ Weiß zunächst das Zentrum & entwickelte seine Figuren. Er verfügte zu Beginn des Mittelspiels über weniger Platz, sodass er folgerichtig nach günstigen Gelegenheiten zum Abtauschen suchte, um seinen Figuren etwas Luft zum Atmen zu geben. Weiß hatte in der dargestellten Stellung mehrere Möglichkeiten, um den Läufer auf d3 zu schlagen: Dxd3 verbietet sich wegen dem gefesselten d-Bauern & folgendem Lxe5. Der beste Zug wäre Sxd3 gewesen (grün), damit Weiß nicht zu viel abtauscht & die Kontrolle über das Zentrum behält. Weiß entschied sich jedoch für Txd3 (rot), wodurch Schwarz mehr Material vom Brett nehmen & Kontrolle über die D-Linie erlangen konnte. Simon nutzte diesen Vorteil für einen baldigen Bauerngewinn, der Weiß dazu verleitete alle Brücken hinter sich abzureißen. Die aufgestellten Drohungen parierte Simon jedoch gekonnt, kassierte weiteres Material ein & gewann schlussendlich risikolos zum 0,5:1,5. Stark!
Präsident & Fahrer Tom sollte dem Schachfreund Mühlen Paroli bieten. Er spielte (wie angekündigt) auf Sieg & investierte frühzeitig einen Springer, um die schwarze Königsstellung zu sabotieren. Die entstandene Position erforderte einige konkrete Verteidigungszüge von Schwarz, die am Brett bekanntlich nicht immer leicht zu finden sind. In der dargestellten Stellung wäre Sd5 (grün) ein guter Zug gewesen, welcher weitere Vereinfachungen & ggf. eine Umgruppierung gen Königsflügel anstrebt. Der Gaul wurde stattdessen nach c4 gestellt, um das Läuferpaar mit Tempo zu gewinnen (rot). Tom erwiderte De2! und drohte sowohl Figurengewinn als auch Dh5 nebst Dh8#. Schwarz musste die Mehrfigur zurückgeben & hatte nun nichts mehr für den Angriff in der Hand. Diesen führt Tom dann auch trotz geringer Bedenkzeit souverän vor & sicherte den Einzug ins Halbfinale (0,5:2,5).
Ich bekam es mit einem jüngeren Schachfreund zu tun, der seinen H-Bauern frühzeitig auf die Reise schickte. Ich nutzte diesen Umstand, um mir das Läuferpaar zu sichern & meinen Anteil am Zentrum einzufordern. Nach einigem Herummanövrieren öffneten sich Teile des Königsflügels, über den ich in die weiße Stellung eindrang. Im weiteren Verlauf (siehe Diagramm) hatte ich mit Dd2+ die Möglichkeit die geschwächte Königsstellung von Weiß auszunutzen und ein mehrzügiges Matt oder entscheidenden Materialgewinn zu erzwingen (grün). Ich entschied mich bei schwindender Bedenkzeit jedoch für den (bei weitem schwächeren) Bauerngewinn mittels Dxe4+ (blau).
Den Angriff wollte ich aber nicht aufgeben, sodass ich weiter aggressiv vorging, anstatt in ein (vielleicht nicht gewinnbares) Endspiel mit Mehrbauern abzuwickeln. Ersterer brachte nach der verpassten Chance jedoch nicht den gewünschten Erfolg: Weiß drohte unvermeidbar Dauerschach und ich konnte Läufer & Turm nicht (mehr) mit Tempo in den Angriff einbeziehen. Trotz massivem Mehrmaterial war die Punkteteilung durch Dauerschach die Folge (1:3).
Der SV Merseburg zieht dank dieser starken Leistung ins Halbfinale des Landesmannschaftspokals ein! Die SG 1871 Löberitz, der Stendaler SK & der SK Dessau 93 sind ebenfalls im Rennen. Die letzten beiden Runden sind derzeit für September angesetzt. Man darf gespannt sein!